Die Königsdisziplin beim Backen ist sicherlich dann erreicht, wenn es um Vanillekipferl geht. Vanillekipferl – da kann kommen wer will – sind österr. Weihnachtstradition.
Die Königs-Vanillekipferln
Irgendwann einmal habe ich mich gegen die Tradition aufgelehnt und Wanüllikipfal unter’m Jahr gebacken. Mehr habe ich nicht gebraucht. Man ist über mich hergefallen, als hätte ich Weihnachten damit verraten. Das ganze Jahr spart man sich seinen Gusto, der kurz vor dem Advent in schiere Gier ausartet, auf. Es wird von gut duftetenden Küchen berichtet, aber keiner erzählt von geschwollenen Beinen, die man sich an einem ausgedehnten Abend holt, weil man gebacken hat.
Geht es darum, welches die beste Rezeptur für die Kipferl sein soll, scheiden sich die Geister derart, dass ich mir gedacht habe, ich stelle einmal einen Vergleich an. Vanillekipferl müssen ohnehin immer in der dreifachen Menge gebacken werden, weil diese Keksdosen die ersten sind, die leer werden.
Zur Auswahl für diesen Contest standen 3 Rezepte. Übrigens kann jeder, der meint, ein noch besseres Rezept zu haben, mir sein Geheimnis anvertrauen.
Zum Test traten bei mir an:
Omas Vanillekipferl aus dem Burgenland – dort wo die Hochzeitsbäcker Tradition haben, fährt man normaler Weise nie schlecht.
Gerlindes Königskipferl – sag ich deshalb, weil sie schon bei der Teigzubereitung Extravaganzen zeigten und sich sehr eitel in der Teigkugel und im fertigen Kipferl präsentierten.
Reinhard Gerer’s – Warme Vanillekipferl, die er – anscheinend auch ein alter Traditionsbrecher – als Nachspeise vorsieht. Von Gerer habe ich übrigens ein zweites, anders lautendes Rezept gefunden, das ich aber dann doch nicht mehr ausprobiert habe, weil es ähnlich zu Gerlindes Rezept ist.
Die Rezepturen unterscheiden sich nur in Nuancen voneinander. Grundsätzlich sollte man Vanillekipferl mit Butter herstellen, Eier gehören keine hinein, weil sie dann nicht schön mürb werden. Beim Mehl nehme ich griffiges Mehl für alle Kekssorten mit Mürbteigbasis. Alle Zutaten wurden rasch zu einem Teig verknetet, in Klarsichtfolie gewickelt und für 1 Stunde in den Kühlschrank gestellt.
Dann viertelt man den Teig, formt aus einem Teil eine Wurst mit ca. 1,5 cm Durchmesser, schneidet kleine Stücke ab und formt zwischen den beiden Handflächen (wie seinerzeit bei Plastillin – hat das immer gestunken) eine nicht zu dünne Wurst, die man dann zu einem Kipferl dreht. Warum zwischen den beiden Handflächen? Weil die Vanillekipferlenden dünn zusammenlaufend sein sollen.
Die Kipferl sind einheitlich bei 170°C Heißluft gebacken worden, allerdings mit unterschiedlicher Backzeit. Sie müssen sofort aus dem Rohr genommen werden, sobald die Zipferln der Kipferln (wie schön dieses Wortspiel ist) braun werden. Keinesfalls zu lange backen, dann werden sie trocken und staubig. Sofort vom Blech rutschen lassen (ich mache das immer in einem Schwung mitsamt dem Backtrennpapier), da sie auf dem heißen Blech weiterbacken würden. Sofort mit einem Staubzucker-Vanillezuckergemisch künstlich beschneien und in gut verschließbare Dosen ordnen. Bei mir zu Hause gibt es nur gebrochene Ware sofort zum Kosten. Alles andere wird versteckt und erst sukzessive ab dem zweiten Advent ausgegeben. Also bald!
Omas Vanillekipferl 1 dag = 10g
14 dag Butter
14 dag Mehl
7 dag Nüsse gemahlen
6 dag Staubzucker
Oma meint, eigentlich sollte man die Kipferl mit Mandeln machen, aber ihr schmecken sie besser mit Walnüssen. Außerdem wären die Walnüsse fettreicher und das macht die Kipferl saftiger.
Tatsächlich schmecken diese Kipferl schön nussig. Sie sind, das erkennt man sowohl am rohen Teig, als auch an den fertigen Kipferln recht dunkel. Was aber nichts ausmacht, denn sie sollten ja kräftig angezuckert werden. Der Teig war sehr einfach zu verarbeiten und recht geschmeidig, ließ sich auch sehr gut formen. Backzeit: 8 Minuten, 2 Blech;
Gerlindes Königskipferl
28 dag Mehl
21 dag Butter
7 dag Staubzucker
10 dag geschälte, geriebene Mandeln
Ich weiß jetzt nicht, ob Gerlinde geschälte Mandeln verwendet. Ich habe es in Anlehnung des zweiten Gerer Rezeptes so angenommen. Leider waren geschälten Mandeln ausverkauft. Also die Mandeln selbst schälen – das ist Sträflingsarbeit. Einen Topf mit Wasser zustellen, kochen lassen, die Mandeln hineinkippen und ca. 1-2 Minuten kochen lassen. Die Mandeln werden dann plustrig, daran sieht man, dass sich die Haut bereits ablöst. Abseihen, auf ein Tuch geben und gemeinsam fährt man selbst mit Mandel für Mandel aus der Haut. Da nimmt man die Mandel an ihrer stärksten Stelle und drückt Richtung kurzes, rundes Ende zusammen. Die Mandel schießt regelrecht mit der Spitze aus der Haut. Ich sagte schon Sträflingsarbeit, bis 20 dag derartig geschält sind, hat es zwei Lieder (Moonlight Shadow und Soak up the sun)und Radiozwischendurchgequatsche gebraucht. Dann noch die Mandeln reiben. Der Teig war geschmeidig und ließ sich auch gut verarbeiten. Bei ganz kleinen Kipferln ist er bei der oberen Krümmung manchmal ein wenig eingerissen. Die Kipferln sind sehr gut, mir fehlt allerdings der Nussgeschmack. Fast haben die Kipferl einen Touch nach Marzipan. Backzeit: 9 Minuten, 2 3/4 Blech;
Gerer’s Warme Vanillekipferl (Große Küche aus Österreich – das Buch gibt es nicht mehr im Handel, schade eigentlich)
20 dag Butter
Ger. Schale einer Zitrone
4 dag geriebene Mandeln (die waren noch von Gerlinde’s übrig)
4 dag geriebene Haselnüsse
28 dag Mehl
7 dag feiner Kristallzucker
Ein bisschen skeptisch war ich in dreierlei Hinsicht. Einerseits waren es die Haselnüsse, die machen die Bäckerei meist trocken und lassen sie nach Pappendeckel schmecken, die Zitronenschale habe ich noch nie in Vanillekipferl gegeben – sie hat aber nicht merklich gestört. Ich habe ein anderes Gerer Rezept, das als super und einzigartig in einer Zeitschrift angepriesen wurde. (22 dag Butter, 28 dag Mehl, 2 Pkg Vanillezucker, 8 dag Staubzucker, 10 dag geschälte, geriebene Mandeln). Der Teig war nicht ganz so optimal zu verarbeiten. Hätte ich die anderen Teige nicht vorher gemacht, wäre es mir nicht aufgefallen, aber beim Vergleich war doch ein kleiner Unterschied zu bemerken, wie wenig handlich die Würsterln zu formen waren. Die Kipferl waren nicht ganz so dunkel, wie Oma’s, aber auch nicht so hell wie die Königskipferl. Angenehm der Nussgeschmack, ein bissl nach Pappendeckel. Backzeit: 9 Minuten, 2 3/4 Blech.
Erste Kritiken sind bereits eingegangen, daher eine vorläufige Wertung bei vier Verkostungen:
3 Punkte für Platz 1, 2 Punkte für Platz 2 und 1 Punkt für den dritten Platz.
Oma – 10 Punkte
Gerlinde – 10 Punkte
Gerer’s Pappendeckelkipferl – 4 Punkte