Es scheint so, als würde mein Blog zum Jourdoux Testblog werden. 😉
Vierter Wiener Jourdoux!
Und wir machen weiter. Saisongerecht wurden diesmal Pinzen getestet, das war die Idee von Titi Laflora. Pinzen sind ein typisch österreichisches Ostergebäck, das typisch nicht aus Österreich stammt. Pinzen wurden von der Ente schon einmal gebacken, schaust du hier nach.
Und was haben wir für eine Menge probiert und getestet! Gedanklich beginnen wir in der Planungsphase immer sehr klein und dann bekommt das Testpanel eine unglaubliche Größe, was man im Bild unschwer erkennen kann. Frau Esskultur wollte große Pinzen, weil die kleinen oft staubtrocken sind. Also haben wir große gekauft! Oberes Ende 601 g schwer, unteres Ende 203 g leicht.
Pinzen aus Wien
So kamen in Summe und Gewicht 7,671 kg Pinzen von 23 Herstellern zusammen. — Neeeein, wir haben sie nicht auf Putz und Stingl aufgegessen, aber es ist ordentlich viel übrig geblieben. Ein Teil der ungenießbaren Reste hat weltbeobachterin für die „Heana“ = Hendln mitgenommen. Also ein ganz persönliches Osterfest für das Federviech. Hoffentlich zerreißt es die Hendln nicht, weil das doch Germteiggebäck ist. Man hat mir aber versichert, Hendln fressen alles. Mahlzeit!
Unsereiner hat die Restln zum Scheiterhaufen und Briocheknödeln verwertet. Hühner und Menschen (fr)essen alles und es zerreißt uns auch nicht. Mahlzeit!
Scheiterhaufen mit Äpfeln und dünner Walnusshaube
Hühner und Eier!
Backwerk wird bekanntermaßen mit Eiern hergestellt. Angeblich ist zu Ostern der Verbrauch von Eiern gar nicht sehr viel höher. Trotzdem kann Österreich nicht alleine von in Österreich gelegten Eiern auskommen. Frau Esskultur gab den Auftrag nicht nur kritisch bei unserem Kühlschrankeinkauf zu sein, sondern auch bei Fertigprodukten nach dem Ei zu fragen. Daher gibt es folgende Kategorien:
Eier aus Käfighaltung
Die Haltung von Hühnern in Käfigen ist in Österreich seit 2009 verboten, der Import dieser Eier allerdings nicht. Besonders in Gastronomie, Industrie und Großküchen werden Eier aus dem Ausland zugekauft und da ist die Herkunft unbestimmt, ich schreibe extra nicht fraglich.
Eier aus Bodenhaltung
Bodenhaltung bedeutet zumeist viele Hendln zusammengepfercht in einer Halle, ohne Sonnenlicht. In Österreich sollen angeblich 23% der Hühner so gehalten werden. Achtung auf schönfärbende Bezeichnungen wie zB Landeier in Bodenhaltung, es ist wie es ist – die Hendln sind eingsperrt! Eier aus Bodenhaltung entsprechen der Kategorie 2.
Freilandhaltung
Die Hendln leben im Stall und im Freien. Für den Auslauf der Hühner muss viel Platz vorhanden sein. Die Eier werden unter der Kategorie 1 geführt und machen etwa 1/3 der in Österreich produzierten Eier aus.
Bio Freilandhaltung
Diese Hühner sind noch glücklicher. In der Stallhaltung haben sie um ein Huhn mehr Platz (6 Hühner pro Quadratmeter) und ebenso viel Auslauf wie die Hühner der Kategorie 1 (1om² pro Huhn). Großer Unterschied ist die biologische Haltung, das bedeutet die Fütterung erfolgt ausschließlich mit biologischem Futter und es dürfen keine Medikamente verabreicht werden. Kategorie 0 für das Superbiofreilandei.
Nachtrag: Dank weltbeobachterin habe ich den Link zum Lebensministerium gefunden. Hier gibt es Statistiken und Wissenswertes über die Hühnerhaltung. Sehr interessant, um über Eier mitreden zu können.
Nun wenn ich einkaufe und die Hühnereier nach Herkunft aussuche, dafür auch tiefer in die Börse greife, dann liegt es wohl auf der Hand, bei Bäckereien oder Konditoreien zu fragen, woher sie ihre Eier beziehen. Ich gebe zu, es läuft bei mir noch nicht automatisiert ab, nach der Herkunft der Eier zu fragen. Hier gibt es auch eine interessante Frage nach dem Ei. Beim Hernalser Konditor habe ich es getan. Was auffällt, das Verkaufspersonal wird nicht informiert, woraus die Produkte hergestellt werden. Daher musste bei meiner Frage in der Produktion nachgefragt werden. Die Eierfrage hat Ärger ausgelöst und man hatte eine besonders originelle Antwort für mich, man arbeitet mit Hühnereiern. Das sollte witzig sein. Es gab dann noch ein Geplänkel mit unlustigem Inhalt. Liebe Konditorei Klement, ich wünsche mir einen entspannteren Umgang mit Kundenfragen. Es kann auch anders sein: Die Bäckerei Auer zeigt bereitwillig das Zertifikat ihres Eierlieferanten. Bei einem guten Gewissen, hat man mit Fragen dieser Art kein Problem.
Zum Test
Die Pinzen wurden gewogen, fotografiert und mit allen notwendigen Informationen in eine Liste aufgenommen und mit einer Nummer versehen. Die Verkostung erfolgte daher vollkommen anonym. Die Pinzen haben wir aus der eigenen Portokassa gezahlt! Es soll kein Korruptionsverdacht aufkommen!
Folgende Produzenten wurden verkostet: Aida, Auer, Central, Demel, Felber, Felzl, Fercher, Gerstner, Gragger, Grimm, Heiner, Kameel, Kasses, Klement, Kurkonditorei Oberlaa, Mauracherhof, Schrammel, Sluka, Ströck, Szihn, Waldherr, Woloszyn, Bauernstand Kutschkermarkt;
Fruth wurde leider diesmal vergessen, Linsbichler und Mühlenbrot schieden im Vorfeld schon aus (staubtrocken und schweres Zitronenaroma).
Nur eine Handvoll unserer Testkandidaten waren Anwärter für die oberen Plätze. Kurz sei umrissen, wie wir uns eine optimale Pinze vorstellen:
Schöne Form (0-3 Punkte) – Die Pinze soll klassisch (mit der Schere) drei Mal eingeschnitten sein, einen schönen Eiglanz haben und nicht zu hell und nicht zu dunkel gebacken sein, so nach RAL 8004 😉
Konsistenz (0-7 Punkte) – Hier scheiden sich die Geister zwischen gatschig/feucht, trocken, fest und flaumig. Wir achteten auch sehr auf die Poren des Teiges, ob feinporig, grobporig oder unregelmäßig.
Geruch & Geschmack (0-10) – Das Um- und Auf einer Pinze. Da die klassische Pinze mit in Wein eingeweichtem Anis zubereitet wird, soll sie auch nach Anis schmecken. Sie muss auch ein wenig nach Alkohol schmecken, weil eben der Wein zum Teig dazugekippt wird, aber soll den Geschmack nicht übertünchen. Zitronenaroma soll ganz fein und dezent sein, ebenso die Vanille. Hier fanden wir Geschmacksrichtungen von penetrant zitronig, oder orangig (sogar Orangenschalenstückchen fanden sich darin) und übervanillisiert. Frau Esskultur fordert Salz ein. Ich selbst gebe in jede Mehlspeis Salz, aber für meine Begriffe darf das Salz nie herausschmecken, es unterstützt und hebt nur den Gesamtgeschmack. Wo ich eine pelzige Zunge bekommen habe, wie ich sie sonst nur bei zu viel Backpulver im Teig habe, hat der Web- und Sängermeister stark alkoholisch herausgeschmeckt. Beides passt zur Pinze nicht, daher haben wir die unterschiedlichen Geschmacksempfindungen nicht ausdiskutiert. Es hat aber viele Pinzen gegeben, die eine pelzige Zunge verursachten. Mittlerweile habe ich recherchiert, dass es durchaus üblich ist Backpulver und Germ zu mischen, siehe „Hefe“teiggarant. Die Pinze sollte auch nicht zu süß sein, weil sie traditionell zu Geselchtem (geweiht) Osterfleisch (nach der Auferstehung) gereicht wird. In die Pinze gehören keinesfalls Rosinen. Zwei unserer Pinzen hatten Rosinen im Teig und waren so gut, dass wir sie trotzdem in die Wertung nahmen.
Platz 1 – Demel, obwohl die Pinze vom Vortag war. War bei mir Gewinner, weil sie einen guten Anisgeschmack hatte.
Platz 2 – Felber, die Überraschung schlechthin, weil eine Großbäckerei auch gute Ware produzieren kann (Szihn, Schrammel, Ströck waren unter jeder Kritik!)
Platz 3 – Zum schwarzen Kameel, ein Pinzenpreis für den man fast schon einen Golddukaten ins Pfandl tragen muss. Stolzer Kilopreis von 33,33 ist schlichtweg gschmalzen.
Platz 3a – Fercher, er hat die Pinze mit Rosinen zwangsbeglückt, sie war aber dennoch sehr gut.
Der vierte Platz, war die Pinze vom Kutschkermarkt. Alle anderen waren schlechtrechtes Mittelfeld und 9 ganz bösgrausliche Produkte. Das ist ein bedenklich hoher Anteil an schlechten Produkten.
Ich wünsche euch allen ein schönes Osterfest! Wer Pinzen gebacken hat, der möge sich hierher verlinken. 🙂
Jourdoux 1 – Punschkrapfen
Jourdoux 2 – Maroniherzen
Jourdoux 3 – Faschingskrapfen